Wenn unser Bildungsreferent im Bezirksverband Lüneburg, Karl-Friedrich Boese, die Volksbund-Ausstellung „Menschenrechte im Krieg“ in die Schulen bringt, geht es ihm dabei auch um Demokratiebildung. Deshalb führt er die Schülerinnen und Schüler zunächst mit seinem Vortrag, „Menschenrechte im Krieg – hehrer Anspruch und ernüchternde Wirklichkeit“, an das Thema heran. Doch zunächst geht es um die Entstehung des Volksbundes und die drei Säulen seiner Arbeit: die Kriegsgräberfürsorge, die Betreuung der Angehörigen und die Bildungsarbeit des Verbandes. „Kriegsgräber sind eine pädagogische Ressource“, so Boese.
Boese startet seinen Vortrag mit einem Abriss der Geschichte des Krieges und dem Umgang mit Kriegsgefangenen von der Antike über das Mittelalter bis in die Neuzeit. Dabei veranschaulicht er die trockene Wiedergabe von Fakten mit konkreten Beispielen. Etwa, dass bereits der Gründer des Islam, Mohammed, Kriegsgefangene nicht töten ließ, sondern sie stattdessen mit dem Nötigsten versorgte.
Ein wichtiger Schritt war auch die Entwicklung des humanitären Völkerrechts Ende des 19. Jahrhunderts, auf das sich die Staaten einigen konnten: Es enthält Richtlinien, was im Krieg zu beachten ist, um möglichst wenig Menschenleben zu verlieren. In Den Haag wurden in den Jahren 1899 und 1907 von den Teilnehmern internationaler Friedenskonferenzen wesentliche Teile des humanitären Völkerrechts ausgearbeitet. Das Ergebnis war die sogenannte Haager Landkriegsordnung, die zunächst Mittel und Methoden der Kriegsführung an Land und auf See regelte. Kontinuierlich wandelnde Waffentechnologien sowie veränderte Methoden der Kriegsführung in späteren Kriegen führten zu Erweiterungen der Schutzbestimmungen. So wurden, unter den Eindrücken des Zweiten Weltkrieges, am 12. August 1949 die vier Genfer Konventionen unterzeichnet. Sie regeln den Schutz von Verwundeten und Kranken in bewaffneten Konflikten an Land und auf See, die Behandlung von Kriegsgefangenen sowie den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten.
In der Folge wurden Zusatzprotokolle unterzeichnet. 1977 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte und über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Bürgerkriege). Hierin werden unter anderem Methoden der Kriegsführung eingegrenzt sowie „unterschiedslose Angriffe“ auf die Zivilbevölkerung grundsätzlich untersagt. Handlungen, die langfristige Umweltschäden verursachen werden verboten. Für Kinder ist spezielle „Pflege und Hilfe“ vorgesehen. Und auch zukünftig sind Ergänzungen des Regelwerkes nicht ausgeschlossen.
Die Genfer Abkommen sind bislang von 196 Staaten ratifiziert worden (von der Bundesrepublik im Jahr 1954). Die Durchsetzung des humanitären Völkerrechts bleibt jedoch bis heute in vielen Fällen schwierig.
Boese stellt jeweils auch den regionalen Bezug her, indem er auf Kriegsgräberstätten in der Umgebung aufmerksam macht. Nicht umsonst bezeichnet der Volksbund Kriegsgräberstätten als „Lernorte“. Hier ruhen – oft nur wenige Gräberreihen voneinander entfernt – deutsche Soldaten, verstorbene ausländische Kriegsgefangene, ermordete Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, politische Häftlinge, deutsche Bombenopfer, Kindersoldaten des Volkssturms oder Angehörige der Waffen-SS, die nicht selten an Kriegsverbrechen beteiligt waren. An keinem anderen Ort wird die Komplexität der deutschen Geschichts- und Erinnerungskultur so greifbar wie auf der Kriegsgräberstätte. Es ist ein idealer Lernort, um sich im lokalen Kontext mit den Brüchen der deutschen Geschichte und ihren Auswirkungen auf die Gegenwart auseinanderzusetzen. (Der Volksbund bietet Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern eine Vielzahl von Projekten und Medien im Zusammenhang mit den über 1.400 Kriegsgräberstätten in Niedersachsen an, alle Informationen gibt es hier.)
Nach der Einführung haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, die Ausstellung zu besuchen. Dabei kommt Boese oft noch einmal mit ihnen ins Gespräch. Er tauscht sich gerne mit jungen Menschen aus und glaubt, dass das Thema Menschenrechte auch in Zukunft diskutiert wird und sich die nachfolgenden Generationen dafür einsetzen werden.
Weil Einzelschicksale Geschichte „greifbarer“ machen, geht es in der Ausstellung um Menschen, die ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt wurden, aber auch um solche, die sich in vergangenen Kriegszeiten für die Menschenrechte eingesetzt haben. Schulen können auch die pädagogischen Handreichungen und Module nutzen, die der Volksbund zur Ausstellung anbietet.
Während eines Vortrags und einer Ausstellungseröffnung mit den elften und zwölften Jahrgängen der BBS Soltau hatte Boese mit Cornelius Lehnart von der Böhme-Zeitung gesprochen. Das Interview finden Sie nachstehend. Einen Artikel über Boeses Besuch an der Schule hat die Böhme-Zeitung am 31. Januar 2025 veröffentlicht.
Worin liegt die Bedeutung der Kriegsgräberpflege heute?
Karl-Friedrich Boese: Kriegsgräberstätten sind eine pädagogische Ressource. Sie sind einerseits Ort der persönlichen Trauer von Familienangehörigen und andererseits stumme Zeugen der Geschichte. Sie sind lokal verortet und unsere Projekte setzen sich mit der Lokalgeschichte auseinander. Schlagen Sie mal ein Geschichtsbuch auf, da steht nicht drin, dass in Soltau Krieg war, die Deportationszüge auf der Heidebahn werden dort ebenfalls nicht erwähnt. Aus diesem Grund sind Kriegsgräberstätten eine wichtige Grundlage für die geschichtliche Aufarbeitung. Überall dort, wo es Kriegsgräberstätten gibt, hat Krieg stattgefunden.
Haben Sie bei Ihrer Arbeit für den Volksbund mit Vorurteilen zu tun?
Wir machen auch Projekte auf Kriegsgräberstätten, auf denen sowjetische Kriegsgefangene liegen. In Schulen mit einem hohen Anteil von Kindern aus Spätaussiedlerfamilien, höre ich dann im Hinblick auf den Ukraine-Krieg, da liegen nur Russen auf dem Friedhof. Aber ich entgegne dann entschieden, dass dort sowohl Russen als auch Ukrainer nebeneinander ihre letzte Ruhe gefunden haben.
Wie reagieren junge Menschen auf Ihre Arbeit?
Wenn Einzelschicksale, die auch Teil der Ausstellung sind, sichtbar werden, dann kommt Interesse auf. Wenn ich sage, dass zwischen 1941 und 1945 ungefähr 5,7 Millionen sowjetische Kriegsgefangene in deutsche Kriegsgefangenschaft gekommen sind und 60 Prozent nicht überlebt haben, dann hört sich das viel an, aber ich kann es nicht greifen. Schaue ich mir aber das Beispiel von Aleksej Pavloskij mit seiner Personalkarte und Geschichte an, dann ist es auf einmal greifbar, weil er Mensch ist wie du und ich.